Ein Armband voller Erinnerung
Wenn ich zurück an meine Kindheit denke und an die Reisen die ich mit meinen Eltern gemacht habe dann denke ich vor allem an eins: Italien. Wir sind fast jedes Jahr mit dem Wohnmobil nach Italien gefahren um immer neue Strände und Städte zu entdecken. Meine Großeltern sind ebenso wie wir viel gereist. Mein Opa war Busfahrer und hat meine Oma oft auf Fahrten mit Reisegruppen durch ganz Europa mitgenommen. Ich liebte es ihre Geschichten zu hören und mir mit meiner Oma ihr „Reisearmband“ anzusehen. Ein Reisearmband ist ein Bettelarmband mit kleinen Wappen und Bildern der Städte durch die man gereist ist. Ich habe mir vorgestellt, dass hinter jedem Wappen eine Geschichte steckt. Die Geschichte einer Reise und die Entdeckung einer neuen Stadt. Natürlich wollte ich auch unbedingt so ein Armband haben um auf unseren Reisen auch Wappen sammeln zu können. Mein Patentonkel hat mir damals das Armband zum Geburtstag geschenkt und so konnte ich ganz fleißig die letzten Urlaube, die ich noch mit meinen Eltern gemeinsam verbracht habe in Italien Wappen sammeln.
Als ich älter wurde und ich mit meinen Großeltern weniger über ihre Reisen sprach, vergaß ich mein Armband und auch das meiner Oma. Es war einfach nicht mehr aktuell und während meine Oma durch Alzheimer langsam Wappen für Wappen und Reise für Reise vergaß begannen die Menschen um mich herum Starbucks Tassen der Länder und Städte zu sammeln die sie bereist hatten. Lange habe ich nicht an die Armbänder und die Geschichten gedacht. Nachdem meine Großeltern gestorben waren bin ich leise durch ihr Haus gelaufen auf der Suche nach einem Gegenstand, der mich für immer an das Gefühl erinnert bei ihnen gewesen zu sein. Im Schlafzimmer fand ich ein Schmuckkästchen und als ich es öffnete sah ich das Bettelarmband. Es war wie ein Trailer der sich in meinem Kopf abspielte und ich sah die ganzen Geschichten wieder vor meinen Augen.
Ich habe das Armband mitgenommen und meins dazu gesucht. Mein Armband sah neben den vielen Wappen die Oma gesammelt hatte ganz schön mickrig aus. Ich legte beide Armbänder um und beschloss ab jetzt wieder zu sammeln.
Letzte Woche waren Conrad und ich auf einer kleinen Reise nach Österreich und München. Ich hatte meine Armbänder mit und wollte dort die Wappen der Städte kaufen die wir besuchten. Früher lief man in ein Souvenirgeschäft und musste sich nur das schönste Bild aussuchen. Wir liefen von Souvenirgeschäft zu Souvenirgeschäft und fanden kein Wappen. “ So etwas führen wir nicht mehr“, oder „Wir haben wohl Anhänger mit kleinen Katzen,“ waren die Antworten.
Zwischen zwei großen Souvenirgeschäften am Hofbräuhaus in München fanden wir einen kleinen eindrucksvollen Laden der eigentlich nur Messer verkaufte. Und dort fanden wir es im Schaufenster, ein kleines Bettelarmbandwappen von München. Es muss eines der kleinsten Geschäfte in der ganzen Stadt sein, das bis unter die Decke mit Messern und Klingen voll gestapelt ist. Die Verkäuferin staunte nicht schlecht als ich nach dem Wappen fragte : „Das verkaufe ich nicht mehr oft,“ lächelte sie und zeigte auf den Schmuckladen auf der anderen Straßenseite „Heute kaufen doch alle nur die Anhänger für Thomas Sabo und Pandora.“ „Nun,“ sagte ich „ich bin eben altmodisch“ und lächelte stolz meinen kleinen Anhänger von München an.